Über Tyraminintoleranz sind bislang nur wenige Informationen verfügbar. Dabei ist sie nicht nur unangenehm, sondern unter Umständen höchst gefährlich.
Wenn das Tyramin aus der Nahrung nicht gut abgebaut werden kann und sich anreichert, kann das zu gefährlichem Bluthochdruck führen - bis hin zur Schlaganfallgefahr.
Lesen Sie nachfolgend, was es mit der Tyraminintoleranz auf sich hat. ~
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Tyramin gehört zu den sogenannten biogenen Aminen. Es ist ein Eiweißstoffwechselprodukt und entsteht aus der Aminosäure Tyrosin.
Weitere biogene Amine sind das bekannte Histamin, das aus der Aminosäure Histidin entstehen kann, sowie das Tryptamin, das unter bestimmten Bedingungen aus Tryptophan entsteht.
Schon bei geringsten Konzentrationen kann Tyramin im Körper das Herzkreislaufsystem beeinflussen und Bluthochdruck erzeugen. In neueren medizinischen Studien wurde auch eine Blutzuckererhöhung durch Tyramin nachgewiesen.
Außerdem beeinflusst Tyramin neurologische Funktionen sowie auch das Immunsystem.
Vor allem wirkt Tyramin auf das vegetative Nervensystem ein und aktiviert den Sympathikusnerv. Das ist der Teil des Nervensystems, der die Körperfunktionen "hochfährt", um uns auf Kampf oder Flucht vorzubereiten.
Tyramin hat also im Grund den gleichen Effekt wie psychologischer Stress, er aktiviert viele biologische Funktionen und erzeugt ein Stressgefühl, ähnlich wie psychologischer Stress.
Symptome einer Tyraminointoleranz können sein:
Das meiste Tyramin gelangt über die Nahrung in den Körper, entweder über verdorbene Nahrungsmittel (vor allem Fisch) oder aber über fermentierte Lebensmittel, allen voran Käse.
Denn beim Fermentationsprozess werden bestimmte Bakterien eingesetzt, die die vorhandenen Eiweißstoffe (Aminosäuren) zu unterschiedlichen Substanzen abbauen.
So können Bakterien bei der Käseherstellung sogenannte Peptide erzeugen, das sind bestimmte Eiweißverbindungen, die in der Regel positive biologische Wirkung haben.
Daneben kann aber auch, je nach Art der Käseherstellung, unter Umständen viel Tyramin entstehen, das unerwünschte bis gefährliche Wirkungen aufweisen kann.
Biogene Amine, also Tyramin, Histamin oder sonstige Amine, entstehen immer dann, wenn bestimmte Enzyme, die sogenannten Decarboxylasen vorhanden sind.
So kann zum Beispiel die Histidindecarboxylase Histamin aus Histidin bilden, die Tyrosindecarboxylase wandelt Tyrosin in Tyramin um.
Für ihre Aktivität benötigen die Decarboxylasen unterstützende Faktoren, wie zum Beispiel eine ausreichende Menge an Vitamin B6.
Daraus folgt, dass Vitamin B6 die Tyraminbildung sowie die Bildung anderer biogener Amine begünstigt. Ich betone das, weil Vitamin B6 oft als Heilmittel bei Tyramin- und Histaminintoleranz empfohlen wird.
Weiterhin benötigen die tyraminbildenden Decarboxylasen Wärme und einen hohen PH-Wert, also ein Milieu, das nicht zu sauer, sondern eher basisch ist. Auch in einer salzarmen Umgebung können die Decarboxylasen besser ihre Aktivität entfalten.
Sind also genügend Vitamin B6 und Wärme sowie wenig Salz und Säure vorhanden, können die Decarboxylasen sehr viele biogene Amine bilden.
Diese Tatsache ist wohl auch der Grund dafür, dass bei manchen Menschen der Blutdruck ansteigt, wenn sie ihre Nahrung zu wenig salzen, obwohl nach landläufiger Meinung Salz als gefährlich für Bluthochdruckpatienten gilt.
Zurück zu den Decarboxylasen: Diese Enzyme kommen in menschlichen Körperzellen vor, aber vor allem auch in bestimmten Bakterien, die beim "Reifen" von Nahrungsmitteln verwendet werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen (1) haben gezeigt, dass insbsondere Enterokokken und bestimmte Arten von Lactobazillen die Fähigkeit haben, Tyramin zu bilden.
Vor allem Lactobacillus delbrueckii bulgaricus (der auch in Joghurt verwendet wird), Lactobacillus paracasei und Lactobacillus rhamnosus konnten in wissenschaftlichen Untersuchungen hohe Tyraminwerte erzeugen, aber auch Lactobacillus acidophilus war daran beteiligt.
Die Tyraminbildung hängt im wesentlichen von der Reifungstemperatur, der Reifungsdauer und auch von den Lagerbedingungen ab. Die Käsehersteller wissen um diese Problematik und achten darauf, die Tyraminbildung gering zu halten.
Doch nicht nur über tyraminhaltige Nahrung gelangt dieses biogene Amin in den Körper, es kann auch durch bestimmte Darmbakterien gebildet werden. Vor allem die Gruppe der Enterobakterien, aber auch bestimmte Lactobazillen können Tyramin bilden.
Bekanntester Vertreter der tyraminbildenden Enterobakterien ist das Bakterium Escherichia Coli, kurz E.Coli genannt. Es gehört zur natürlichen Darmflora. Wenn es jedoch im Übermaß vorhanden ist, wird zu viel Tyramin gebildet, das Ihren Blutdruck erhöhen kann.
Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass sich E.Coli stark vermehren kann. Vor allem der Milchzucker Lactose ist hier zu nennen. So kann also auch Lactose zur Tyraminintoleranz und damit zum Bluthochdruck beitragen.
Weiterhin zählen auch verschiedene Lactobazillen zu den Tyraminbildnern, wie beschrieben. Solche Lactobazillen werden aber auch als Probiotika angeboten und von vielen Menschen eingenommen. Können sie dann nicht auch im Darm unter bestimmten Umständen (hoher ph-Wert, salzarm) Tyramin bilden? Dieser Effekt, der als gesund beworbenen Milchsäurebakterien sollte besser berücksichtigt werden, bevor unkontrolliert Probiotika geschluckt werden.
Entscheidend ist auch eine gesunde Darmbarriere. Denn das im Darmtrakt gebildete Tyramin gelangt vor allem dann vermehrt in den Körper, wenn die Darmschleimhaut undicht ist, wenn also ein Leaky Gut Syndrom vorliegt. Dieses Krankheitsbild verschärft die Problematik und den Bluthochdruck. Mehr zum Leaky Gut Syndrom ist hier zu lesen.
Wichtig ist dabei auch, dass das aufgenommene oder von Darmbakterien gebildete Tyramin möglichst schnell wieder abgebaut wird. Das geschieht mit Hilfe der sogenannte Monoaminooxidasen.
Normalerweise wird überschüssiges Tyramin vom Körper rasch abgebaut. Dafür ist das Enzym Monoaminooxidase, kurz MAO, zuständig.
Es gibt jedoch Umstände, die die Monoaminooxidase hemmen oder in ihrer Aktivität einschränken. Dann kann Tyramin nicht abgebaut werden, reichert sich im Körper an und verursacht unterschiedliche Symptome. Das gefährlichste davon sind Bluthochdruckkrisen.
Eine eingeschränkte Aktivität der Monoaminooxidase führt somit zur Tyraminintoleranz.
Die eingeschränkte Aktivität der Monoaminooxidase kann hervorgerufen werden durch
Da die Monoaminioxidase Kupfer braucht, um gut zu funktionieren, kann auch ein Kupfermangel (Mit)Ursache der Tyraminintoleranz sein.
Mehr zum Kupfermangel ist hier zu lesen.
Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie überempfindlich auf Tyramin reagieren, besonders aber bei Bluthochdruck, sollten Sie tyraminreiche Lebenssmittel meiden oder zumindest stark reduzieren.
Auch wenn Sie MAO Hemmer, also bestimmte Antidepressiva verordnet bekommen, wird Ihnen der Arzt eine tyraminarme Diät verordnen.
Von allen Lebensmitteln enthält gereifter Käse am meisten Tyramin. Man spricht deshalb auch vom Cheese-Effekt, wenn es um tyraminbedingten Bluthochdruck geht.
Auch in gereiften Wurstsorten wie Salami kommt Tyramin vor, daneben auch in Fleisch- und Wurstwaren, die nicht mehr ganz frisch sind.
Besonders hohe Tyramingehalte wurden gefunden in
Versuchen Sie einmal, Tyramin so gut wie möglich aus Ihrer Ernährung zu eliminieren.
Wenn es Ihnen mit einer probeweisen tyraminfreien Diät besser geht, können Sie eigenverantwortlich beschließen, Ihre Diät weiter einzuhalten und damit gesünder und vitaler zu sein.
Hier ist eine Liste mit dem Tyramingehalt in Lebensmitteln:
https://www.eucell.de/ernaehrung/lebensmittellisten/biogene-amine/tyramin.html
Wie oben beschrieben wird Tyramin mit Hilfe von Decarboxylasen aus der Aminosäure Tyrosin gebildet.
Um die Tyraminbildung gering zu halten, kann einerseits die Aufnahme von Tyrosin eingeschränkt werden. Andererseits kann auch die Aktivität der Decarboxylasen beschränkt werden.
Tyrosin gehört zwar zu den essentiellen Aminosäuren, doch ein Zuviel kann, wie bei allen anderen Aminosäuren auch, zu einer Überlastung führen.
Besonders viel Tyrosin ist in Käse, Eiern, Fleisch, Soja, Erdnüssen, Hülsenfrüchten und in Weizenkeimen enthalten.
Um daraus Tyramin entstehen zu lassen brauchen die Decarboxylasen der Darmbakterien (oder auch die körpereigenen) ein salz- und säurearmes Milieu.
Das heißt, stark basische Mineralwässer zu einem eiweißhaltigen Essen können problematisch sein, ebenso wie zu starker Salzverzicht.
Ein Gläschen trockener Wein dagegen und/oder ein essighaltiger Salat können die Tyraminbildung einschränken helfen. Selbst das oft verpönte Glas Cola kann zum Essen besser geeignet sein als nur ein basisches Mineralwasser.
All das zeigt, es geht nicht nur um Verbotslisten bei der Reduktion von biogenen Aminen wie Tyramin und Histamin, sondern auch um die Menge und um die richtige Kombination von Nahrungsmitteln.
Aus eigener Erfahrung und in vielen Beratungsgesprächen ist mir klar geworden, dass allzu strenges Befolgen von Diät- und Ernährungslisten in eine Sackgasse führen kann.
Achtsamkeit und bewusstes Essen, vielseitiges Kombinieren von Speisen und Getränken kann dagegen vorteilhaft sein, im Hinblick auf die Tyraminbildung, aber auch für die Histaminproblematik, die für immer mehr Menschen ein Thema ist.
Die Tyraminintoleranz tritt oft zusammen mit einer Histaminintoleranz auf. Hier kommt es zu einer Abbaustörung des Amins Histamin. Die Symptome sind teilweise ähnlich, überschüssiges Histamin im Körper führt jedoch eher zu Blutdruckabfall.
Mehr über Histaminintoleranz ist hier zu lesen.
Quelle:
(1) https://core.ac.uk/download/pdf/11585645.pdf abgerufen am 27.06.2022